Adolph Kolping - Leben und Werk

 

1. Die Zeit

 

Die Zeit, in der Adolph Kolping lebte, trägt vielschichtige Züge. Vieles von dem, was in diesen Jahrzehnten vor sich ging, ist uns gewissermaßen ,,nahe", weist in dieser oder jener Weise auf unsere Zeit hin. Anderes wiederum ist uns eher ,,fremd", kaum verständlich. wurzelt in vergangenen Epochen. Insgesamt stellt sich uns die Zeit Kolpings als Epoche des Umbruchs dar, in der sich Lebensformen, soziale Strukturen, politische und wirtschaftliche Gegebenheiten und Bedingtheiten weitgehend wandeln. Im Rückblick markieren gerade dieses Jahrzehnte am deutlichsten den Übergang von einer ständischen, wesentlich agrarisch geprägten Gesellschaft zur modernen Industriegesellschaft, die durch rasche Entwicklungen und ständige Veränderungen in allen Lebensbereichen gekennzeichnet ist.

 

Zeiten des Umbruchs sind meist auch Zeiten tiefgehender sozialer Probleme und intensiver geistig-weltanschaulicher Auseinandersetzung. Im 19. Jahrhundert war es die soziale Frage" (als Ausdruck vor allem für die vielfältigen problemreichen Folgewirkungen der industriellen Revolution), die zur beherrschenden Frage der Zeit wurde, während zugleich im weltanschaulichen Bereich das Ringen zwischen Christentum, Liberalismus und dem aufkommenden Sozialismus von prägender Bedeutung war. Zeiten des Umbruchs bringen oft auch bedeutende Persönlichkeiten hervor, die in dieser oder jener Weise aktiven Anteil an der Entwicklung der Verhältnisse nehmen. Adolph Kolping gehört in seiner Zeit zweifellos dazu: er stellte sich den Problemen dieser Epoche und versuchte, von seiner Position aus einen Beitrag zur positiven Veränderung der Welt zu leisten.

 

 

2. Lebenslauf

 

Kolping wurde am 8. Dezember 1813 in Kerpen bei Köln geboren. Er war das 4. Kind eines Schäfers und wuchs in sehr bescheidenen Lebensverhältnissen auf. Neigung und Eignung zum Erwerb höherer Bildung waren bei Kolping zwar vorhanden, die familiären Verhältnisse ließen einen solchen Weg jedoch nicht zu. Adolph Kolping erlernte nach dem Besuch der Volksschule das Schuhmacherhandwerk und war insgesamt zehn Jahre lang in diesem Beruf tätig. Mehr und mehr setzte sich bei ihm in diesen Jahren der Wunsch durch, die weitgehend doch als sehr unbefriedigend empfundenen Lebensverhältnisse aufzugeben. Im Alter von 23 Jahren wagte Kolping den entscheidenden Schritt. Er gab seinen Beruf auf und bezog als Schüler das Marzellengymnasium in Köln. Während der Schulzeit, die er - durch vielfache Krankheit und die notwendige Sorge um den eigenen Lebensunterhalt stark in Anspruch genommen - mit ungeheurer Energie in kürzester Zeit absolvierte, reifte in Kolping der schon lange gehegte Wunsch, Priester zu werden, zur endgültigen Gewißheit der Berufung. Im Sommer 1841 begann er sein theologisches Studium in München, das er später an der Bonner Universität und im Kölner Priesterseminar fortsetzte. Am 13. April 1845 empfing er in der Kölner Minoritenkirche die Priesterweihe.

 

Seine erste Stelle erhielt Kolping in Elberfeld. Hier machte er bald die Bekanntschaft des von dem Lehrer Johann Gregor Breuer gegründeten Gesellenvereins, zu dessen Präses er 1847 gewählt wurde. Dieser Verein, in dem sich junge Menschen - zumeist Handwerksgesellen - zu gemeinsamem Tun im geselligen Bereich wie auch zu gemeinsamer Bildungsarbeit zusammengefunden hatten, wurde für Kolping zur Lebensaufgabe. Nachdem er lange Zeit mit dem Gedanken gespielt hatte, später vielleicht einmal wissenschaftlich tätig werden zu können, erkannte er nun in dem Wirken mit und für diese jungen Menschen seine eigentliche Berufung. Er, der selbst lange Jahre Geselle gewesen und von daher mit den Problemen dieser Menschen vertraut war, widmete sich fortan in erster Linie dem Wirken für diese Sache. Im Jahre 1849 kam er nach Köln; als Domvikar blieb ihm Zeit, sich durch beispielhaftes Tun, durch Reisen und durch das geschriebene Wort für die Ausbreitung des Katholischen Gesellenvereins zu engagieren. Daneben erwarb er sich als Publizist und Volksschriftsteller breite Anerkennung in weiten Kreisen der katholischen Bevölkerung. Kolpings Wirken war erfolgreich. In den wenigen Jahren, die ihm noch beschieden waren, weitete sich das Werk ständig aus; im Jahre 1865 zählte man bereits über 400 Gesellenvereine in zahlreichen Ländern Europas und in Übersee. Kolping selbst, seit 1862 Rektor der Kölner Minoritenkirche, nahm bei seinem rastlosen Wirken in den verschiedensten Bereichen keine Rücksicht auf die eigene Gesundheit. Der unermüdliche Einsatz zehrte die Kräfte dieses Mannes frühzeitig auf; noch nicht 52jährig, starb Adolph Kolping am 4. Dezember 1865.

 

Eine weit verbreitete Legende besagt, Kolping sei den Weg vom Handwerker zum ,,Gesellenvater" mit dem klaren Ziel gegangen, später einmal den früheren Standesgenossen zu helfen. Dem ist nicht so; Kolping hat erst in Elberfeld durch das Erleben des dortigen Gesellenvereins zu seiner Lebensaufgabe gefunden. Diese Aufgabe hat er dann allerdings mit allen Kräften zu erfüllen gesucht, und zwar aus dem klaren Bewußtsein heraus, hier ganz unmittelbar gerufen und berufen zu sein.

 

 

 

3. Ziel und Wirken

 

Worum ging es Kolping nun? Zunächst einmal wollte er jungen Menschen Hilfe leisten zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit, wollte er ihnen zu umfassender Tüchtigkeit in allen Lebensbereichen verhelfen. Als tüchtige Christen, Bürger, Meister und Familienväter sollten sie ihren Mann im Leben stehen und einen ihren Kräften und Fähigkeiten angemessenen Platz im Leben erlangen und behaupten können. Aus eigener Erfahrung wußte Kolping um die vielfältigen Probleme und Nöte des Gesellenstandes, der in jener Zeit des Umbruches in besonders schwierigen Verhältnissen stand, ja zum Teil durchaus eine gesellschaftliche Randgruppe darstellte. Die Gesellen gehörten in jener Zeit weithin nicht mehr wie selbstverständlich zur Familie des Meisters, sondern waren vielfach sich selbst überlassen, auf Herberge und Wirtshaus als einzige Stätten des Aufenthalts außerhalb der Arbeitszeit verwiesen. Niemand nahm sich ihrer persönlichen und beruflichen Sorgen und Probleme an; niemand bot Halt oder ein "Zuhause". Hier setzte der Gesellenverein an, der diesen jungen Menschen in seinem Hause Heimat bieten wollte, ihnen im Kreise der Gleichgesinnten Anregung und Möglichkeit bieten wollte, an sich selbst und für andere zu arbeiten. Berufliche Fortbildung, religiöse Bildung, Vorbereitung auf Ehe und Familie und anderes mehr sollte im Verein geschehen bzw. ermöglicht werden, ergänzt und unterstützt durch geselliges Beisammensein und vielfältige Aktivitäten im musischen und kulturellen Bereich. Insgesamt, so die Intention Kolpings, sollte und konnte der Gesellenverein eine Lebensschule darstellen, die es jungen Menschen ermöglichte, ihr späteres Leben erfolgreich und in Verantwortung dem Ganzen gegenüber zu gestalten.

 

Die eigenen Zeitverhältnisse waren in Kolpings Augen alles andere als zufriedenstellend. Nach seiner Auffassung tat umfassender sozialer Wandel not. Im Unterschied zu vielen anderen Zeitgenossen war in der Sicht Kolpings ein solcher Wandel zum Besseren hin freilich nicht über den revolutionären Wandel der bestehenden Verhältnisse zu erreichen. Ansatzpunkt der Entwicklung mußte für Kolping der einzelne Mensch sein; nur aus einem gewandelten Verhalten vieler einzelner konnte nach seiner Auffassung eine andere, bessere soziale Wirklichkeit erwachsen. Sozialer Wandel durch Veränderung des Menschen war entsprechend die Devise; Kolping wollte, wie er einmal sagte, eine bessere Zukunft erziehen helfen. Entscheidend war dabei sein religiöser Ansatz. Veränderungen zum Besseren hin konnten für Kolping nur auf dem Boden des Christentums ruhen, dieses sollte und mußte nach seiner Überzeugung wieder größere Bedeutung für die konkrete Ausgestaltung aller Lebensverhältnisse erlangen. Der tüchtige Christ, der als solcher sein Leben in allen Bereichen gestaltete, war konsequent das Hauptziel Kolpings.

 

 

4. Kolpings Werk heute

 

Das Kolpingwerk heute ist nicht mehr der Katholische Gesellenverein von einst. Struktur und Arbeitsweise des Verbandes haben sich weitgehend verändert, ebenso die Zusammensetzung der Mitgliedschaft. Die eingetretenen Entwicklungen und Wandlungen könnten als Abfall vom "Pfad der Tugen" verstanden werden; sie können aber auch - und das mit größerem Recht - als erfolgreicher Versuch gewertet werden, die grundlegenden Gedanken und Zielsetzungen Kolpings in immer neuen, den Zeitverhältnissen angepaßten Formen zu verwirklichen. Bei näherem Hinsehen wird man feststellen können, daß die Grundideen Kolpings auch heute noch Gültigkeit haben, daß sie weiterhin Ansatzpunkt und Richtschnur für das Wirken unseres Verbandes sind und sein können. Auch heute geht es darum, dem einzelnen und insbesondere dem jungen Menschen Hilfestellung zur Entfaltung seiner Persönlichkeit, zur Wahrnehmung eigener Chancen wie auch sozialer Verantwortung zu leisten. Die konkrete Umsetzung solcher Zielvorstellungen kann und muß heute gewiß anders ausfallen als früher, sicherlich kommt es jedoch auch heute darauf an, Orientierung und Hilfe zu bieten, um sich in der komplexen Wirklichkeit unserer Welt zurechtzufinden, um klare Positionen beziehen und auch mit Nachdruck vertreten zu können. Gerade in unserer Zeit und wohl auch in Zukunft ist es bestimmt nicht weniger wichtig als zu Kolpings Zeiten, den Versuch zu unternehmen, aus christlicher Überzeugung heraus einen Beitrag zur Gestaltung unserer Welt zu leisten.

 

 

Aus: Werkmappe Jungkolping 3. Auflage 1981

 

Siehe dazu auch in unserer Festschrift: Das Gedankengut Adolph Kolpings in unserer Zeit

 

Hans Urban