Geschichte der Haager Kolpingsfamilie


Adolph Kolping (geb. 8.12.1813) stammte aus armen Verhältnissen und hatte in seinem Geburtsort Kerpen, einer kleinen Stadt zwischen Köln und Aachen, zuerst das Schuhmacherhandwerk erlernt und nach kurzer Wanderschaft sein Handwerk in Köln ausgeübt. Dabei fühlte er immer deutlicher die Berufung zum Priester. Gleichzeitig drängte es ihn dazu, sich der verlassenen umhergestoßenen Handwerkslehrlinge und Gesellen anzunehmen.

Die Handwerksgesellen sind damals in großer Zahl als Handwerksburschen durch das Land gewandert. Im Haager Pfarrhof haben im Jahr 1835: 3197, 1837: 3400, 1839 sogar 5307 angeklopft; jeder von ihnen bekam 4-6 Kreuzer, für eine warme Suppe wurde davon 1 x abgezogen; das war im Jahr ein großer Ausgabeposten von 266 fl 24 X bis 442 fl 15 X.

Wie sehr Kolping von der Aufgabe erfüllt war, den Handwerkslehrlingen und Gesellen in ihrer Heimatlosigkeit und Verlassenheit, die er selbst erlebt hatte, zu helfen und wie tief er die Wurzeln ihrer Probleme erkannt hatte, zeigt seine Schrift von 1849 „Der Gesellenverein“ mit dem Motto: „Tätige Liebe heilt alle Wunden, bloß Worte mehren nur den Schmerz“.

Nach nur vierjährigem Besuch des Gymnasiums in Köln mit abschließendem Abitur und anschließendem Theologiestudium - zuerst in München (nicht in der Stille des Konvikts in Bonn), dann erst in Bonn - wurde er 1845 zum Priester geweiht. Als Kaplan und Religionslehrer in Elberfeld hat er im selben Jahr den ersten Gesellenverein gegründet, der nach den Statuten von 1849 noch den Namen „katholischer Jünglingsverein“ hatte.

1863 wurde der katholische Gesellenverein, der 1851 in München Fuß gefaßt hatte, in Haag gegründet; er „berechtigt zu schönen Hoffnungen“ schreibt der damalige Pfarrer, Geistl. Rat Christopher Unterauer. Im Jahresbericht von 1875 steht: „Die religiöse und sittliche Haltung der Gesellen ist sehr befriedigend“. Dagegen hält Pfarrer Joh. Bapt. Kopp (Pfarrer von Haag von 1887 - 1897) vom katholischen Gesellenverein, „der jetzt ziemlich viele Mitglieder zählt“, nicht sehr viel; „der wünschenswerte Sinn für eine regere Teilnahme am kirchlichen Leben ist nur bei wenigen Gesellen zu finden.“

Pfarrer Anton Weinsteiger, von 1907 bis 1936 Pfarrer in Haag (später Dekan und Geistl. Rat), war ein sehr aktiver Präses der Haager Kolpingsfamilie; auch die Kapläne waren in diese Aufgabe eingebunden.

Nach den Statuten sind die Ziele und Aufgaben des Kolpingswerks, die Mitglieder zu befähigen, sich als Christen in ihrer Arbeits- und Berufswelt, in Ehe und Familie, und damit in Kirche, Gesellschaft und Staat zu bewähren und an der ständigen Erneuerung der Kirche und Gesellschaft mitzuwirken; sie sollen auch immer bereit sein, den Mitgliedern und den Mitmenschen zu helfen. Die Haager Kolpingsfamilie hat unter Pfarrer Weinsteiger eine erste große Blütezeit erlebt.

Auch schon aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg wird neben monatlichen Versammlungen (1913 alle 2 bis 3 Wochen) mit Vorträgen vom Präses oder dem Cooperator (der 1. Coop. war der Vizepräses), und von Christbaumfeiern berichtet, auch von Ausflug mit zweispänniger Kutsche (des Lohnkutschers Kerschbaumer) nach Wasserburg (am 10.8. 1909). Am 23.7.1914 bei der Abschiedsfeier von Cooperator Graf Joseph v. Preysing spielte die Kapelle Kierner mit 5 Musikern; das Abschiedsgeschenk für den scheidenden Kaplan war das Gemälde einer Landschaft von dem begabten Haager Landschafts-, Blumen- und Porträtmaler G. Köhnlein.

Zu dieser Zeit klopfte nur eine sehr geringe Zahl von durchreisenden Gesellen (im Vergleich zu Mitte des vorigen Jhds., aber jetzt waren es Mitglieder des kath. Gesellenvereins) um Essen und Nachtquartier im Pfarrhof an. Der Oberhofwirt Ludwig Kefer (Herbergsvater von 1908 - 10) hat für die Ausspeisung von 31 Gesellen eine Rechnung von 15.50 M ausgestellt. Dieselbe Summe, 40 Pfg. für jedes übernachtende Gesellenvereinsmitglied, wurde schon 1875 dem Gastwirt Scheicher (= später Kernbräu) vom Haager Kolpingsverein bezahlt. Ab 1912 bekamen die Durchreisenden einen Berechtigungsschein für Übernachtung mit Abendessen und Frühstück im Gasthaus Carl Mittermaier (später Ludwig Kern), Hans Kranzmayr (Hofgarten) oder Josef Maier (Wasserburger Hof); die Zahl der Übernachtungen läßt sich trotz vorhandener Scheine mit Namen der Handwerksburschen (darunter ein Brauer aus Augsburg) nicht genau ermitteln. Während des Krieges sollte nach einem Rundschreiben des Generalpräses Msg. Fr. Schweitzer vom 5.Aug.1914 die Wanderschaft der Mitglieder ruhen oder doch möglichst eingeschränkt bleiben.

Aus der Zeit von 1928 - 37 sind wieder Aufzeichnungen über die Zahl der „durchreisenden Wandergesellen“ vorhanden: 1930 waren es 61, 1931: 195, 1932/33: 216, 1935/36 nur 18 und 1936/37: 16; die Kosten für Übernachtung und Verpflegung (pro Person 0,80 M) trug die Kolpingsfamilie Haag. Die Marktgemeinde, die auf Antrag schon seit Jahren einen Zuschuß von 50 M „zur Wanderfürsorge“ des Kolpingsvereins gewährt hatte, gab 1932 100 M; Coop. Holzner schreibt in dem Bittbrief: „Die gegenwärtige Wirtschaftsnot drückt vielen Gesellen den Wanderstab in die Hand.“

In den ersten Jahren des I. Weltkriegs war das Vereinsleben noch ziemlich ungebrochen, obwohl viele Mitglieder Soldaten geworden waren; Ende 1916 standen 13 Haager Kolpingssöhne im Feld. Nach den Berichten (Protokollen) über die Veranstaltungen des Gesellenvereins, die der Schriftführer in einem eigenen Buch niedergeschrieben hat, wurden auch noch in den ersten Jahren des Kriegs (1915/ 1916) die Versammlungen, jedesmal mit einem Vortrag und dann geselligem Beisammensein, regelmäßig alle 14 Tage durchgeführt. 1917 wurde auch ein Ausflug mit dem Fahrrad nach Attel unternommen mit Besichtigung der Anstalt. Cooperator Georg Niggl, Vizepräses und während des Krieges auch Schriftführer, schreibt aber 1917 in das Chronikbuch: „Im Sommer war kein rechter Zug im Verein. Eine Gegenströmung machte sich bemerkbar; daher wieder intensivere persönliche Fühlungnahme mit den einzelnen Mitgliedern unbedingt nötig. Der Krieg macht sich jetzt bemerkbar ... der gute Geist nimmt ab. Kein rechter Ernst. Alles will leben und lieben!“

Ab Okt. 1917 war nach Versetzung von Coop. Niggl Coop. Johann Lebling Vizepräses und Schriftführer. Im Nov. 1917 wurde eine „Jugendwehr-Kompagnie Haag“ gebildet. Die Jugend von Haag meldete sich in einer Versammlung am 22. Dezember fast vollzählig zum Eintritt in die Jugendwehr. „So wird danach die Jugendwehr vom Gesellenverein organisiert, nicht wie anfangs geplant vom kath. Jugendverein. Für jetzt soll auch der 3. Kurs der Fortbildungsschule in die Jugendwehr übernommen werden“ schreibt im Chronikbuch Coop. Lebling, der bei Gründung des Ortsausschusses als Kompanieführer bestellt wurde und der sich sehr für die Jugend eingesetzt hat. Er hat dann im Jugendverein die Vorübungen „als Vorschule für die Jugendwehr“ übernommen (Eintrag im Chronikbuch).

Am Sonntag, den 13.Jan.1918 war früh um 1/2 7 h feierliche Generalkommunion, gemeinsam mit dem Jugendverein. Die Ansprache hielt H. H. Pfr. Gruber, Jugendsekretär aus München. Ab August 1918 wurden die Übungen der Jugendwehr eingestellt.

Trotz der von Coop. Niggl geschilderten bedrückenden Situation am Ende des Krieges konnten am 1.1.1918 acht neue Mitglieder durch Handschlag, Überreichung der Mitgliederkarte und des Wanderbuches in den Haager Gesellenverein aufgenommen werden. Am 7.4.1918 war die letzte Versammlung vor dem Ende des Krieges.

Am 18.3.1919, bei der ersten Versammlung nach dem Krieg, wurde eine neue Vorstandschaft gewählt; als Senior Josef Rieder, als Schriftführer Rudolf Schierghofer (der schon von Jan.1914 bis zur Einberufung zum Wehrdienst im März 1915 Schriftführer war); das Amt des Präses nahm weiterhin Pf. Weinsteiger auf sich, Vizepräses blieb Coop. Lebling. In der 1. Jahreshälfte trafen sich die Mitglieder einmal im Monat, in der 2. Hälfte nur im August und November. Die Versammlungen wurden (nach einem Zeitungsbericht) musikalisch mitgestaltet durch Coop. Lebling, August und Hermann Kunschir (Zither und Flöte) und auch durch ein „gut besetztes Orchester“. Es wurde der Beschluß gefaßt, jetzt die Verbindung zwischen Meister und Gesellen besonders zu pflegen.

Am Sonntag, den 2.11.1919 war die Abschiedsfeier für den nach München berufenen Coop. Lebling, dem „stets opferbereiten Freund der Gesellen, der ihnen so manchen frohen Abend und so manche lehrreiche Stunde geboten“ (aus Abschiedsrede von Senior Rieder).

Auch 1922 treffen sich die Kolpingssöhne in etwa monatlichen, teils schwach besuchten Versammlungen; bei der Versammlung im April 1923 sang die Gesangsriege des Turnvereins einige schöne vierstimmige Lieder. Im zweiten Halbjahr 1923 und im Jahr 1924 war es infolge der „miserablen Entlohnung der Gesellen“" und des allgemeinen „finanziellen Elends in Deutschland“ nicht möglich, die Versammlungen regelmäßig abzuhalten und zu besuchen. Alle 2 - 3 Monate war eine kleine Versammlung, eher eine gemütliche Zusammenkunft, die auch dazu half, „diese unglückliche Zeit zu überstehen.“

Erst 1925 hat sich der Gesellenverein in Haag neu gebildet; „er will nicht bloß eigentliche Handwerksgesellen, sondern auch andere junge Leute vom 17. Lebensjahr ab im Sinne Adolph Kolpings zusammenschließen.“ Der junge Ernst Franz wurde als neuer Vorstand gewählt.

1926 wurde in Erding die Bezirkstagung des Mühldorfer Bezirks abgehalten, bei der alle zehn im Bezirk Mühldorf zusammengeschlossenen Gesellenvereine zur Tagung erschienen waren; 7 Haager Kolpingsgesellen sind mit ihren Fahrrädern nach Erding gefahren, 3 haben allerdings wegen einer Fahrradpanne das Reiseziel viel zu spät erreicht. „Bei der umständlichen, zeitraubenden und kostspieligen Fahrt lieferten hier katholische Jungmänner einen Beweis der Kameradschaft, Einigkeit und des guten Verstehens“ schreibt der Schriftführer Fritz Spiegl im Chronikbuch. Es wurde ein ausgiebiges Programm abgewickelt, über das der Schriftführer im einzelnen berichtet. Diese Tagung hat auch dem Haager Verein einen starken Schub gegeben; Vorstand Hans Kern „will mit allen Kräften den Verein wieder auf die alte Höhe führen“.

Auch in der Schilderung der Herbstkonferenz des Bezirksverbands Mühldorf vom Nov. 1926 zeigt sich Fritz Spiegl als begeisterter Kolpingssohn. Die Konferenz begann mit einer Andacht in der Pfarrkirche. Der Landessekretär Eichner, München, bedankte sich am Schluß dafür, daß er diese selten schöne Bezirkskonferenz miterleben durfte. Im April 1927 war die Bezirkskonferenz im Mühldorfer Gesellenhaus.

Fritz Spiegl, der von Nov. 1925 bis Mai 1927 Schriftführer war, berichtet auch mit großer Begeisterung über das große Fest „75 Jahre Kath. CentralGesellenverein in München“ am 14./15. August 1926. Bei dem Festzug nach dem Pontifikalamt in der Michaelskirche (gehalten vom päpstlichen Nuntius Vasallo di Torregrossa) beteiligten sich 235 Vereine, die meisten mit ihren Fahnen; es spielten 6 Musikkapellen, Nachmittags beim Festakt zeigte der Ministerpräsident a. D. Dr. Stegerwald, daß, auch nach der Überzeugung von A. Kolping, ohne eine Änderung der (materialistischen) Denkweise, ohne gegenseitige Opferbereitschaft, ohne Liebe keine Umgestaltung der Verhältnisse möglich ist.

Pfingsten 1927 war der 2. Internationale Gesellentag in Wien. 30 000 Kolpingssöhne waren „unter den größten Opfern aus allen Erdteilen zusammengeströmt zu einer mächtigen Kundgebung“ (aus „Haager Bote“).

Der Verein hat jetzt durch wachsende Mitgliederzahl (Ende 1930 waren es 35 aktive und 66 passive Mitglieder) mit monatlichen, meist gut besuchten Treffen (Pause in den Sommermonaten) mit Vorträgen und einem fröhlichen geselligen Teil und sicher auch durch den Präses Dekan Weinsteiger ein kräftiges Leben entfaltet; „man ist fröhlich und brüderlich bei den Versammlungen; es werden Charaktere gebildet, das Christentum wird gepflegt und alles in rechtem Maß“ (aus einem Zeitungsartikel vom Juni 1927). Über wichtige Versammlungen wurde in der Zeitung („Haager Bote“) berichtet.

Das jährliche Stiftungsfest wurde am Fest des hl. Josef gefeiert mit morgendlicher Beichtgelegenheit und Generalkommunion, dann (um 9 Uhr Hochamt, vorher („unter den schallenden Klängen der Kapelle Kierner“) Festzug zur Kirche, hernach Frühschoppen im Vereinslokal Hofgarten.

Am 23.Juni 1929 wurde in Gars der katholische Gesellenverein gegründet. Zur Gründungsversammlung war auch der Haager Gesellenverein fast vollzählig erschienen. 1930 hatte die Haager Kolpingsfamilie zur Bannerweihe am Fest der Patrona Bavariae (4.5.) die Patenschaft übernommen. Am Abend vor dem Festtag ging schon ein farbenfroher Zug durch den festlich beleuchteten Ort zur Marienschule am Marktplatz. Am nächsten Tag Festzug zur Kirche (mit 26 Gesellenvereinen aus nah und fern mit ihren Bannern), Weihe des Banners und Meßopfer. „Den guten Geist in der Kolpingsfamilie zeigten sie alle durch ihr schönes Betragen in- und außerhalb des Gotteshauses“ (aus Zeitungsbericht: Über die Bannerweihe in Gars).

Im Juli 1929 fuhren 18 Kolpingsmitglieder von Haag und 7 aus Gars mit einem von der Gräfl. Moy'schen Brauerei zur Verfügung gestellten Lastwagen zur Fahnenweihe nach Grafing.

Von Haag wurden auch engere Kontakte zu den Nachbarvereinen (Mühldorf, Erding, Wasserburg, Kraiburg) geknüpft.

1927 spielte der Verein nach jahrelanger Pause wieder einmal ein Theaterstück. In den Jahren 1927 bis 1930 wurden dann weitere sechs Theaterstücke einstudiert und unter Mitwirkung der Kapelle Kierner mit Erfolg aufgeführt. Es gab die Kapelle Kierner (gegründet von Albert und weitergeführt von Sohn Sepp Kierner) und die Kapelle Reiter; beide Kapellen verstärkten mit ihren Blasinstrumenten an hohen Festtagen den Kirchenchor. Kierner war auch Kapellmeister und Dirigent der Musikkapelle und Sängergruppe des Turnvereins.

Pfr. Weinsteiger ist 1928 von seinem Amt als Präses, das er 21 Jahre innehatte, zurückgetreten, um jüngeren Platz zu machen; als sein Nachfolger wurde Coop. Franz Grottauer gewählt. Vorstand wurde 1928 Oswald Kammerer.

Am 24. März 1933 ergriff mit Hitler ein menschenverachtendes, gottloses Regime die Macht im Staat. Von der Auflösung der katholischen Vereine war zwar die Kolpingsfamilie nicht betroffen, aber sie wurde in ihrem offenen Wirken behindert; seit 6.Mai 1934 waren Versammlungen verboten. Das Vereinsleben schrumpfte auf kleine gesellige Treffen zusammen („ein loses Zusammentreffen der wenigen Mitglieder (6 - 7) in verschiedenen Gasthöfen“) und hörte mit dem Krieg ganz auf; „die Mitglieder sind bis auf den Senior einberufen worden, die Altmitglieder waren von Anfang an nicht mehr beteiligt und so stand allmählich der Senior Josef Herneder allein“ (nach einem Bericht von Präses Pf. Dr. Gruber, Pfarrer von Haag von 1936 bis 1949, an des Generalvikariat 1946).

Nach den Worten von Landespräses Roman Friesinger war nach dem Ende des Krieges und des 3. Reiches eine Zeit der Sammlung und der Reorganisation. In einem Aufsatz von 1945 unter dem Titel „100 Jahre Kolpingsfahne“ ruft er zum Wiederaufbau unter dem von Kolping seinen Söhnen mitgegebenen Leitbild; des tüchtigen Christen, des tüchtigen Meisters, des tüchtigen Bürgers und des tüchtigen Familienvaters auf. Der Landespräses schildert in kurzen Skizzen die Situation im „besiegten und befreiten“ Deutschland, wie er sie nach der Heimkehr aus der Gefangenschaft erlebt hat: in Köln die Minoritenkirche in Trümmern, das Grab von Vater Kolping „überdeckt ein Berg von Balken und Schutt, das Haus der Gesellen: rauchgeschwärzte Betonblökke“; in Freiburg das Gesellenhaus ein Trümmerhaufen; in München das Zentralgesellenhaus: „ein Haustor, ein Herd, ein Grundstück, auf dem sich Berge von Schutt türmen“.

Im April 1946 schreibt der Generalpräses Johannes Dahl in einem Rundschreiben: „Kolpings Name zündet wieder in jungen Herzen“ und in einem gemeinsamen Hirtenwort der bayrischen Bischöfe aus diesem Jahr steht: „Wir freuen uns, daß die werktätige männliche Jugend sich wieder sammelt in den Kolpingsfamilien“. Und der Diözesanpräses Albert Michl schreibt in einem Brief vom Aug. 1947: „Altkolping hat in redlicher Pflichterfüllung seine Ausdauer und Standhaftigkeit bewiesen und das Kolpingswerk durch die vergangenen Jahre in unsere Tage hinübergerettet. Es ist daher unsere Pflicht, nicht nur Verwalter dieses wertvollen uns anvertrauten Gutes zu sein, sondern unbedingte Förderer dieser guten Sache zu werden. Herbergswerk, Wanderfürsorge und Berufsausbildung müssen neben einer gründlichen Seelsorge unser unentwegtes Streben nach Vervollkommnung sein. Daher ... laßt unsere Kolpingsjugend zu lebendigen Fackeln werden. Mit Mitläufern ist uns nicht gedient“.

Pfarrer Dr. Franz Gruber fand jetzt in der neuen Freiheit auch wieder das Arbeitsfeld, das seiner Begabung und seiner wissenschaftlichen Ausrichtung entsprach; er war bis 1933 Leiter der sozialen Volkshochschule in Kochel gewesen, deren Ziel die Bildung junger Menschen zu kraftvollen, im Glauben gefestigten, aktiven, mit Wissen ausgerüsteten Persönlichkeiten war. Pfarrer Dr. Gruber hatte nach dem Krieg zunächst eine „völlige Teilnahmslosigkeit der Jungen, die aus dem Krieg heimgekehrt sind“, an der Neugründung und Belebung von Vereinen festgestellt und geraten, „mindestens in den kleineren Orten und Märkten auf dem Land die Tanzwelle abebben zu lassen, ehe man daran gehen kann, wenigstens einige Nahrung von dem Höheren zu vermitteln, was an echten Kolpingsgedanken heute zum Leben kommen will“. Bald aber hat er junge Leute in der Kolpingsfamilie um sich versammelt und in Vortragsreihen über soziale und arbeitspolitische Themen gesprochen.

Ab 1947 ging es rasch aufwärts; im 3. Quartal hatte Jungkolping 25, Altkolping 20 Mitglieder. Es wurden wieder monatliche Versammlungen abgehalten. Pf. Dr. Gruber begann im Mai 1947 mit einer Vortragsreihe über „Ehe und Familie.“

1948 wurde dann das 85-jährige Gründungsfest der Haager Kolpingsfamilie gefeiert (am Samstag - Sonntag, 8. u. 9. Mai). Zum Gründungsjubiläum spielte die Theatergruppe das Stück „Der PaternosterKramer von Ettal.“ Schon ein Jahr vorher war mit großem Erfolg „Der Paragraphenschuster“ aufgeführt worden.

Den Verlauf einer Monatsversammlung, der letzten des Jahres 1948, schildert Senior Zenz: „Den Auftakt gab die neugegründete vereinseigene Schrammelkapelle mit einem flotten Marsch, dem der vielstimmig gesungene Vereinsgruß ,Gott segne das ehrbare Handwerk‘ folgte. Sodann eröffnete Vorstand Hans Kellermann die Versammlung. .... Der neue Vizepräses H. H. Kooperator Holzner (1948 bis 1954) hielt sein Referat“; er berichtete besonders über die Domfeier in Köln und den Katholikentag in Mainz vom 1.Sept.1948.

Die Haager Kolpingsfamilie entfaltete in den folgenden Jahren und Jahrzehnten ein kräftiges Leben. 1964 wurden beim jetzt jedes Jahr Anfang Dezember gefeierten Kolpingsgedenktag (Adolph Kolping ist am 8.12. geboren und am 4.12. gestorben), 14 Jungkolpingmitglieder aufgenommen, was nach den Worten des Seniors vor allem das Verdienst von Kaplan Georg Walch (1962 - 1966 Kaplan unter Pfarrer Schediwy, der von 1956 bis 1971 Pfarrer in Haag war). Die neue Kolpingsfahne wurde am 6.Dezember 1964 geweiht.

Am 31.12.1964 war die Zahl der Haager Kolpingsmitglieder auf 91 angewachsen.

Am Kolpingsgedenktag 1981 wurden von Pfarrer Ziegenaus 34 Neumitglieder aufgenommen.

Auch Veranstaltungen für die Haager Bevölkerung wurden organisiert: ein Standkonzert im Schloßhof 1975, ein volkstümliches Schloßhofsingen 1976, ein internationaler Folkloreabend am Marktplatz mit Tanz- und Singgruppen aus Rumänien, Ungarn, der Tschechoslowakei 1990, das jährliche Adventssingen.

In den letzten Jahren ist es um die Haager Kolpingsfamilie etwas stiller geworden.

Dr. Eugen Kellner

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